Suffragetten in London mit Plakaten, auf denen Namen wie Jenny Lind, Mrs. Somerville, Mrs. Chas Kean, Mrs. Carlyle und Florence Nightingale zu lesen sind.
Geschichte

Wahlrecht für Frauen!

Wann haben Frauen in den heutigen EU-Ländern und anderswo das gleichberechtigte Wahlrecht erhalten?

von
Beth Daley (öffnet sich in einem neuen Fenster) (Europeana Foundation)

Erst vor relativ kurzer Zeit wurde das uneingeschränkte Wahlrecht in der gesamten Europäischen Union und darüber hinaus eingeführt. Wann also hat jedes Land Frauen das volle und gleichberechtigte Wahlrecht gewährt?

Was ist das uneingeschränkte Wahlrecht?

Das uneingeschränkte Wahlrecht bedeutet, dass alle Erwachsenen – Frauen und Männer – gleichberechtigt wählen können.

Ein grauhaariger, bärtiger Mann mit Brille zeigt auf eine Menschenmenge, in der jeder Mann einen schwarzen Regenschirm und eine schwarze, gelbe und rote Schärpe trägt und auf die Worte „Suffrage Universel“ zugeht.

Im Laufe der Jahre wurde das uneingeschränkte Wahlrecht nicht nur angestrebt, um Gleichberechtigung der Frauen zu erreichen, sondern auch für jene Männer, die aufgrund von Einschränkungen wie Religion, Ethnizität, Bildung oder Vermögen nicht wählen durften.

So wurden beispielsweise 1865 in den USA nach dem Ende des Amerikanischen Bürgerkriegs Sklaven, denen das Wahlrecht verweigert wurde, aus der Sklaverei befreit und erhielten Bürgerrechte. Im Jahr 1870 wurde dann allen erwachsenen Männern das Wahlrecht gewährt, was bedeutete, dass Männer, die früher in Sklaverei gelebt hatten, nun wählen durften (obwohl einige Staaten dann andere Einschränkungen einführten).

Titelbild von De Notenkraker, das eine Frau zeigt, die an die „Lady of Liberty“ (die Freiheitsstatue) erinnert und ein Banner mit der Aufschrift „Op voor het algemeen kiesrecht“ schwenkt, was frei übersetzt „Auf zum uneingeschränkten Wahlrecht“ bedeutet. Eine Gruppe von Männern schaut zu.

Wann wurden in der Europäischen Union Frauen und Männer im Wahlrecht gleichgestellt?

Diese Liste zeigt alle aktuellen EU-Länder und die Jahre, in denen das uneingeschränkte Wahlrecht erreicht wurde, d. h. das Datum, ab dem sowohl Männer als auch Frauen bei nationalen Wahlen gleichberechtigt wählen durften.

Land Jahr
Österreich 1918
Belgien 1948
Bulgarien 1944
Dänemark 1915
Deutschland 1918
Estland 1918
Finnland 1906
Frankreich 1944
Griechenland 1952
Irland 1922
Italien 1945
Kroatien 1945
Lettland 1918
Litauen 1918
Land Jahr
Luxemburg 1919
Malta 1947
Niederlande 1919
Polen 1918
Portugal 1976
Rumänien 1946
Schweden 1921
Slowakei 1920
Slowenien 1945
Spanien 1931
Tschechien 1920
Ungarn 1945
Zypern 1960

Welches Land war das Erste, das Frauen das gleiche Wahlrecht gewährte?

Vereinfachte Karte von Korsika.
Polizeiauto führt einen Marsch von Frauen mit Bannern an.
Eine große Menschenmenge bei einer Veranstaltung vor einem Gebäude mit hohen Säulen, mit Menschen, die auf den Stufen und dem Balkon stehen.

Korsika gewährte Frauen 1755 das Wahlrecht, das jedoch nach der Annexion durch Frankreich 1769 wieder aufgehoben wurde.

Der erste Nationalstaat, der das uneingeschränkte Wahlrecht dauerhaft gewährte, war Neuseeland im Jahr 1893.

Finnland war das erste europäische Land, das Frauen 1906 das uneingeschränkte Wahlrecht gewährte.

Viele Länder führten eine Gesetzgebung in zwei (oder mehr) Schritten ein, bei der zunächst nur bestimmte Frauen wählen durften.

So erhielten etwa Frauen in Irland 1918 das Wahlrecht ab dem Alter von 30 Jahren (sofern sie über ausreichendes Vermögen verfügten), während Männer bereits mit 21 Jahren wählen durften, unabhängig davon, ob sie Vermögen besaßen oder nicht. Im Jahr 1922 gewährte der Irische Freistaat Männern und Frauen das gleiche Wahlrecht. Die Isle of Man (eine selbstverwaltete britische Kronkolonie, deren Bevölkerung britische Staatsbürger sind) gewährte Frauen mit Landbesitz 1881 das Wahlrecht, 37 Jahre vor dem Vereinigten Königreich und 47 Jahre vor der Einführung des uneingeschränkten Wahlrechts im gesamten Vereinigten Königreich im Jahr 1928.

Foto einer Frau, die vor einem Gebäude steht.

Nur weil das uneingeschränkte Wahlrecht gewährt wurde, bedeutete dies nicht, dass Frauen ihr Wahlrecht sofort ausüben konnten. Die ersten Wahlmöglichkeiten ergaben sich oft erst Monate oder sogar Jahre später.

In Litauen beispielsweise wurde die Verfassung 1918 geändert und Frauen übten ihr Wahlrecht erstmals 1919 aus. In Griechenland wurde das Gesetz 1952 verabschiedet, aber Frauen mussten bis 1956 auf die nächsten allgemeinen Wahlen warten. In Eritrea, Ostafrika, wurde allen Bürgern 1997 das Wahlrecht gewährt, aber es wurden dort noch keine nationalen Wahlen abgehalten.

Frauen durften oft bei Kommunalwahlen wählen, bevor sie bei nationalen Wahlen wählen durften. Das bedeutet, dass die erste Wahl von Frauen möglicherweise in den ländlichen Gebieten der Provinz Friesland (heute eine Provinz der Niederlande) stattfand, als Landbesitzerinnen 1689 das Recht erhielten, auf kommunaler Ebene zu wählen. Schwedinnen konnten 1718 bei bestimmten Kommunalwahlen wählen, aber dieses Recht wurde einige Jahrzehnte später wieder aufgehoben.

Was hat die EU-Länder dazu veranlasst, ihre Gesetze zur Wahlberechtigung von Frauen zu ändern?

Frauenwahlrechts- und Frauenrechtsbewegungen machten die „Frauenfrage“ jahrzehntelang oder sogar jahrhundertelang zu einem Teil der öffentlichen und politischen Debatte, bevor Frauen in allen Ländern das Wahlrecht erhielten.

Diese Bewegungen fanden jedoch nicht in einem Vakuum statt – sie waren Teil eines sich ständig verändernden politischen Kontextes. Wenn Sie sich die Liste oben ansehen, werden Sie feststellen, dass viele der Wendepunkte in historische Perioden fallen, die mit großen politischen Veränderungen verbunden sind, wie z. B. die Unabhängigkeit eines Landes oder die Nachwirkungen eines Kriegs auf regionaler Ebene oder eines Weltkriegs.

Die Gesetzgebung Finnlands im Jahr 1906 entstand zu einer Zeit, als das Land ein autonomes Großherzogtum war, das an Russland angegliedert war. 1907 wählte Finnland die ersten weiblichen Abgeordneten der Welt, aber es dauerte bis zum Jahr 2000, bis eine Frau zur Präsidentin und 2003 zur Premierministerin gewählt wurde.

In Estland, Lettland und Polen wurde dies erst möglich, als die Länder 1918 ihre Unabhängigkeit von Russland erlangten. Diese Zeit gegen Ende des Ersten Weltkriegs und in den wenigen Jahren danach führte auch dazu, dass das uneingeschränkte Wahlrecht in Österreich, Tschechien und der Slowakei (damals als Tschechoslowakei), Dänemark, Deutschland, Irland, Litauen, den Niederlanden und Schweden eingeführt wurde.

Veränderungen während der Zweiten Spanischen Republik (1931–1937) führten dazu, dass 1931 das Wahlrecht für Frauen in Spanien eingeführt wurde, aber die Bemühungen um diesen Meilenstein reichen bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück. Tatsächlich hätten Frauen von 1924 bis 1926 für kurze Zeit wählen dürfen, in dieser Zeit fanden jedoch keine Wahlen statt.

Ein Auto, von dem ein Regenschirm hochgehalten wird, trägt den Text „La femme doit voter / Elle paie des impots / et ceux de son mari“, was bedeutet: „Eine Frau muss wählen, sie zahlt ihre Steuern und die ihres Mannes“.

Das heutige Kroatien und Slowenien erlangten das uneingeschränkte Wahlrecht im Rahmen der Bildung des zweiten Jugoslawiens nach der Befreiung des Gebiets von der deutschen Fremdherrschaft in den Jahren 1944–1945. Zu den anderen Ländern, die ihre Gesetzgebung in dieser Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs änderten, gehören Belgien, Bulgarien, Frankreich, Ungarn, Italien, Luxemburg und Malta. In Rumänien wurde die letzte Einschränkung des Wahlrechts 1946 aufgehoben. Die Einschränkung bestand darin, dass nur Männer und Frauen wählen durften, die lesen und schreiben konnten, was Frauen überproportional stark benachteiligte.

Der Wandel Griechenlands zu einem Nationalstaat in den 1950er-Jahren nach dem Ende eines Bürgerkriegs warf viele gesellschaftliche Fragen auf, darunter auch die Rolle der Frau in der Gesellschaft. Infolgedessen wurde die „Frauenfrage“ zumindest teilweise durch ein Gesetz aus dem Jahr 1952 gelöst, das Frauen dasWahlrecht einräumte. In diesem Jahr trat Griechenland auch der NATO bei.

Nach der Befreiung von Großbritannien führte Zypern 1960 das uneingeschränkte Wahlrecht ein.

In Portugal erhielten Frauen 1931 erstmals ein eingeschränktes Wahlrecht, aber erst 1976, nach dem Ende des autoritären politischen Regimes des Estado Novo, erhielten Frauen tatsächlich das volle Wahlrecht zu gleichen Bedingungen wie Männer.

Welche Länder erlaubten Frauen als Letzte das gleiche Wahlrecht?

In Europa waren Liechtenstein (1984) und der Schweizer Kanton Appenzell Innerrhoden (1991) die letzten Gerichtsbarkeiten, die Frauen das Wahlrecht gewährten. Die Schweiz gewährte eigentlich schon 1971 das volle Wahlrecht, was jedoch in der Region Appenzell Innerrhoden nicht galt.

Eine zeitgenössische Skispringerin, mitten im Flug. Sie hält ein Banner mit der Aufschrift „Votes for Women“ (Wahlrecht für Frauen) und auf ihren Skiern steht „Agitation“ (Agitation).

Frauen in Saudi-Arabien erhielten 2011 das Wahlrecht und wählten 2015 zum ersten Mal. Und obwohl Frauen in Brunei das Wahlrecht haben, hat das Land seit 1962 keine Wahlen mehr abgehalten, sodass Frauen dieses Recht nicht ausüben konnten.

Es gibt nur ein Land auf der Welt, in dem Frauen kein gesetzlich verankertes Wahlrecht haben – Vatikanstadt. Das liegt daran, dass dort nur Wahlen zur Wahl eines Papstes stattfinden und nur Kardinäle der katholischen Kirche, die männlich sein müssen, das Wahlrecht haben.

Eine Emailleplakette mit dem Bild einer Frau, die den Arm hebt. Sie hält ein Plakat mit der Aufschrift „Votes for women“ und steht neben einem Zaun mit einer weiteren Aufschrift „The fight goes on“.

Natürlich gibt es einen Unterschied zwischen einem gesetzlich verbrieften Recht und der eigentlichen Realität. Auch wenn das uneingeschränkte Wahlrecht existiert, bedeutet dies nicht, dass jeder immer die Möglichkeit hat, seine Stimme abzugeben.

Die Angst vor Übergriffen oder Gewalt, vor möglichen Konsequenzen oder Ablehnung durch die Familie oder die Gesellschaft oder auch bürokratische Hürden wie die Vorlage eines amtlichen Ausweises hindern manche Menschen – darunter überproportional viele Frauen oder Angehörige benachteiligter Gruppen – daran, ihre Stimme abzugeben.

Der Kampf geht also weiter.